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Die Kunst des Buchhaltens

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Mit der Verwahrung, Sicherung und Klassifizierung von Kulturschätzen kann sich eine Bibliothek nicht begnügen. In der Kunst des Buchhaltens gilt es den eigenen Status als Wissenshort und Dokumentationszentrum an das veränderte Gleichgewicht zwischen digitalen und traditionellen Medien anzupassen und die stete Neuerfindung eines zeitgemäßen Bildungsauftrages voranzutreiben. In diesem Projekt wurden die Künstler Steffi Jüngling und Ni Haifeng eingeladen, sich in einer neuen Arbeit mit Fragen nach der Rolle einer Kunstbibliothek im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen.

Vom 5. bis 7. Juli 2010 besuchten beide Künstler die HALLE 14 in Leipzig, um innerhalb eines gemeinsamen Workshops ortsspezifische Ideen für ihre Kunstwerke zu entwickeln. In einem öffentlichen Künstlergespräch (5. Juli 2010 um 19 Uhr) stellten sie bisherige Arbeiten zu den Themen Text und Buch, Bibliothek und Archiv vor. Vom 5. November bis zum 19. Dezember 2010 werden sie ihre Interventionen zur Kunstbibliothek der HALLE 14 der Öffentlichkeit vorstellen.

Steffi Jüngling

„Bücher und Lesen sind so etwas wie mein Lebenselixier“, sagt die Künstlerin Steffi Jüngling. Ganz selbstverständlich begann sie Bücher als Material ihrer Kunst zu nutzen. 2003 bedeckte sie den gesamten Boden einer Galerie mit Büchern. Sie stellte sie auf den Buchrücken, sodass der Schnitt nach oben zeigte. Die Gäste waren eingeladen diese Landschaft zu betreten. Da man nicht einfach so auf Büchern herumtritt, löste die Arbeit Kontroversen aus. Häufig siegte die Neugier, auch wenn man bäuchlings über die Bücher robbte, weil man sie nicht betreten wollte.Ihre Leidenschaft führte Jüngling durch Bibliotheken der ganzen Welt. Dabei entdeckte sie, dass jede Bibliothek über einen Bestand ausgemusterter Exemplare verfügt– häufig Rohmaterial für Jünglings Kunst.

In der Bibliothek des Goethe-Instituts in London schuf sie daraus 2002 eine Buchlandschaft als Hürde am Eingang. 2003 verengte sie mit zwei Büchertürmen den Zugang einer Bibliothek in Venedig. Hier startete sie auch ihr Babel-Projekt. Inspiriert von Jorge Luis Borges’ Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ über eine ultimative Bibliothek, in der alle Bücher, alles Wissen und alle Sprachen versammelt sind, begann Jüngling über Sätze des Texts, Büchereien auf der ganzen Welt zu vernetzen. Bisher wurden Sätze in der jeweiligen Landessprache in Kassel, Plovdiv (Bulgarien), Odessa und Kiew (Ukraine), Birjusa und Ulan-Ude (Russland) an Bibliothekswände geschrieben.

Eher zufällig begegnete Steffi Jüngling den schwer zu lesenden Büchern der Lyrikerin Friederike Mayröcker. Die atemlose Geschichte „brütt oder Die seufzenden Gärten“ verwandelte Jüngling im Prozess mühevollen Lesens in ein Kunstobjekt, in dem sie jede gelesene Zeile durchstrich und zusätzlich mit dem Skalpell separierte.

Die Halbwertszeit, in der heute ein Bestseller in Vergessenheit gerät, ist kürzer denn je. Trotzdem gilt ein Buch noch als Kulturgut. Bestimmte Dinge tut man mit ihm nicht! Jünglings Kunst löst die ungenutzten Bestände und ungelesenen Bände aus ihrem Schlummer und bettet sie neu in unser Bewusstsein.

Ni Haifeng

Das Konzept des Nutzlosen als das Bedürfnis, sich von der „Produktion des Nützlichen“, die für die „dominierende Wirtschaftsordnung“ zentral ist, abzusetzen, spielt eine Schlüsselrolle im Werk des chinesischen Künstlers Ni Haifeng.

Nachdem Ni 1986 die Zhèjiang Kunstakademie absolviert hatte, schloss er sich der Künstlergruppe „Red 70%, Black 25% and White 5%“ an, die sich mit Konzeptkunst und sinnfreien Textarbeiten beschäftigte. In seinen frühen Arbeiten konzentrierte er sich auf den Akt des Schreibens und die Dekonstruktion von Sprache. Handgeschrieben übertrug er Textfragmente, Numeralien und Symbole auf Alltagsobjekte, an Häuserwände und Felsen. Diese - meist temporären - Arbeiten waren Versuche der Subversion, die jede Systematik des Sehens unterwanderten.

In den 1990er Jahren wanderte Ni nach Europa aus und lebt seitdem in Amsterdam. Die Auseinandersetzung mit kultureller Identität, Austausch und Instabilität bestimmen fortan Nis Å’uvre. In der Installation „The Angle“ (1995) wird ein ganzes, dicht beschriebenes Schlafzimmer mittels Tauen aus den Angeln gehoben. Die Mix-Media-Installation „Xeno-Writings“ (2003) beschäftigt sich mit der Produktion von subalternem Wissen als kulturellen Widerstand gegen die spätkapitalistische Gesellschaft. Auf einer Wand aus Büchern berühmter westlicher Autoren wird das Video eines bedeutungslosen Schreibprozesses und dessen Auslöschung projiziert.

In einer Reihe von „Unfinished Self-Portraits“ (seit 2003) trägt der Künstler einen Datensatz aus Zahlen, Buchstaben und Sonderzeichen, der seinem digitalen Passbild zugrunde liegt, „in situ“ auf die Ausstellungsarchitektur auf, wobei sich die endlose Sequenz von virtuellen Informationen in einen körperlichen Akt und seine Identität in einen bedeutungslosen Code verwandelt. „In meiner Kunst betrachte ich die Verschleierung von Bedeutungen stets als die Schöpfung von neuen“, sagt Ni über seine Praxis, die darauf zielt, den Status Quo zu zersetzen, den „Nullpunkt der Bedeutung“ zu erreichen, ein Moment ohne Schwere, in dem es das Klassische neu zu entdecken gilt.

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