Das Fundstück

Ein Gastbeitrag von Rena Pietzsch

Eine kleine Streichholzschachtel, die erst wenige Tagen in einem der vielen Regale der Bibliothek liegen konnte und gefunden werden wollte, einerseits unscheinbar und dennoch auffällig durch ihr sich abhebendes Format und das rote angeklebte Bändchen: Nadja Lanarts »Sunny City - SEHR KURZE GESCHICHTEN II«.

Das Schächtelchen lag einfach so auf den Büchern, als ich durch das Regal stöberte und irritierte mich, da es keine Signatur besaß und auch wie gesagt in keinster Weise einem Buch ähnelte. Ich fragte mich: »Was sich wohl darin verbergen mochte?«

Schiebt man die kleine Box aus der Hülle, fühlt es sich an, als öffne man eine Geschenkschatulle und keine alltägliche Streichholzschachtel. Es hat etwas Geheimnisvolles an sich, da diese Art von Schriftstück sehr überraschend ist, wenn man in erster Linie mit Büchern rechnet. Das zusammengefaltete Blatt im Inneren springt langsam nach oben, in etwa, wie ein Kasper aus einer Kiste.

Es ist ungewohnt, die Seiten anstatt von rechts nach links, von unten nach oben umzublättern oder die Seite längs im Zickzack vor sich auszubreiten. Dadurch entsteht ein neues Lesegefühl.Betrachtet man den Text, sieht man, dass er keinen Absatz enthält.  Es scheint, als ob die Geschichte eine einzige Situation beschreibt, einem Kunstwerk gleich.

Die 5-Minuten-Geschichte handelt von den Erinnerungen an den gemeinsamen Sommer einer Freundesclique. Sie ist geschmückt mit verrückten Vergleichen, kurzen Dialogen und der Beschreibung seltsamer Aktionen. Das überraschende, offene Ende der Geschichte gibt mehrere Möglichkeiten der Interpretation.

Die 1973 geborene Autorin und Künstlerin Nadja Lanart, die in Bonn Germanistik studiert hat, hat sich mit dieser Zine-ähnlichen Publikation, in die Bibliothek eingeschlichen. Ohne sich direkt bekannt zu machen, gestaltet Nadja Lanart den öffentlichen Raum, in dem ihre Kunst zu den Menschen findet, ohne dass diese nach ihr gesucht hätten.

Rena Pietzsch wohnt seit einem Jahr in Leipzig und studiert Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Sie spielt Querflöte, interessiert sich für Kunst und Musik und sitzt im Sommer gerne im Park zum Lesen.