WE ALL GOT THE JUICE

Samstag, 28. Mai 2022, 11 bis 18 Uhr

von Constanze Kresta und Johanna Bender, mit Claire Terrien, Nele Klauke, Studio Papaya, Katharina Stefanek, Theresa Groß, Bineta Hansen und den Stimmen von über hundert Menstruierenden

Zum Weltmenstruationstag werden in unserem Besucherzentrum Sound-Installationen in Objekten zu sehen sein. Im Vorfeld wurden Menstruierende aufgerufen, Erlebnisse und Anektoden zum Zyklus als Sprachnachrichten an die Künstlerinnen Constanze Kresta und Johanna Bender einzureichen. Zusammengekommen sind über einhundert Geschichten und musikalische Interpretationen zur Menstruation. Aus acht Kunstwerken werden diese Stimmen leise ertönen und ermöglichen so eine intime Begegnung zu diesem Thema.

„We all got the juice“ hinterfragt die Art und Weise wie in heutigen Gesellschaften über den Zyklus geredet und geschwiegen wird. Die Installationen brechen mit der Tabuisierung des Dialogs und bieten einen einzigartigen Raum für Verständigung und Gemeinsamkeiten.

Interview mit Constanze Kresta

Was erwartet uns am 28. Mai in der Bibliothek der HALLE 14?

Sie betreten die Ausstellungshalle und und hören von allen Seiten leise Stimmen: Sie erzählen Geschichten von Menstruation. Dazwischen klingen Gesänge über den Zyklus. Diese Klänge tönen aus acht Objekten. Die Objekte kommentieren mit ihren Formen ebenfalls das Thema Menstruation und Zyklus.

Warum braucht es eine Arbeit zur Menstruation?

Wir lieben Menstruation und wir lieben Gespräche über Menstruation. Diese Freude geben wir weiter. Wir bauen einen utopischen Raum, in dem Menstruation so viel Aufmerksamkeit und Liebe zukommt, wie es sein sollte.

Ihr sammelt die Menstruationsgeschichten ja via Sprachnachricht. Warum sollen Menschen über Menstruation reden?

Die Menstruation ist eine biologische Funktion und gleichzeitig eine Kulturpraxis. Es gibt so viele Arten zu menstruieren, wie es Menstruierende gibt (und selbst eine einzelne Person menstruiert in ihrem Leben auf mehrere Weisen). Gleichzeitig sind nicht alle Arten zu menstruieren gleich gut für die Gesundheit der Individuen und der Gesellschaft. Es gibt häufig Probleme, Schmerzen, Machtausübung, Machtmissbrauch. Die Tabuisierung des Dialogs um die Periode ist ein Beispiel für eine ungute Menstruations-Kulturpraktik, weitere sind beispielsweise das Müllproblem mit den Plastikbinden oder die Stigmatisierung von Menstruierenden und weiblicher Sexualität. Die Tabuisierung des Dialogs zu brechen, ist deswegen so wichtig, weil es der erste Schritt ist, um gute Wege für alle anderen Themen rund um die Menstruation zu finden. Lasst uns über Produkte reden, lasst uns über Zervixschleim reden, lasst uns über Blut reden, lasst uns über weiblichen* Sex reden, lasst uns über Feminismus reden. In unserer Installation passiert genau das.

Ihr habt ja in der Arbeit lediglich Stimmen von FLINTAS* gesammelt. Ist Menstruation auch für Männer ein Thema?

Ja. Bewusst oder unbewusst: Ob du ein Mann, eine Frau oder was auch immer bist: Menstruation bestimmt dein Leben. Du bist ständig in Kontakt mit Menschen, die menstruieren, und du bist nur auf der Welt, weil jemand menstruiert hat. Tabuisierte Menstruation führt zu schlechtgelaunten Menstruierenden. Sie lachen weniger, haben schlechteren Sex und sind unzufriedener mit dem Leben. Also arbeitet mit an einer Menstruations-positiven Welt, denn wer hat schon Lust auf miesepetrige Mitmenschen?

Außerdem kann jede Person durch die Beschäftigung mit Menstruation viel lernen: Wie die Welt funktioniert beispielsweise. Die Antwort darauf nämlich ist: zyklisch! Es ist ein ständiges Werden, Sein, Sterben und wieder von vorne. Diese Kräfte stecken in unserem Körper, in unserer Welt, und das nicht, weil wir uns dafür entschieden haben und es so gebaut haben, sondern weil sie die Grundlage für unsere Existenz auf der Welt sind. Mit diesen Kräften zu arbeiten, anstatt gegen sie, ihnen Respekt und Raum zu geben, das können wir alle bei der Beschäftigung mit Menstruation lernen. Also, an alle Männer: Von eurem Einsatz für gute Menstruation profitiert ihr selbst grundlegend!

Wann habt ihr angefangen Menstruationsgeschichten zu sammeln?

Wir sammeln schon seit über einem Jahr. Zunächst vorwiegend im Freundeskreis. Wie es aber eben so ist, das sind Menschen die uns sehr ähnlich sind: Alter, Religion, Herkunft, Gender... Für die Ausstellung in der HALLE 14 haben wir bewusst diversere Stimmen gesucht.

Ist es schwierig an diese Stimmen zu kommen?

Ja, aber genau um diese Arbeit und den Prozess geht es: Wie schaffen wir es, über Menstruation zu sprechen? Von unserem Standpunkt und kulturellem, sozialem Background aus mussten wir uns beispielsweise fragen: Wie sprechen wir Menschen mit Behinderung, oder etwa alte FLINTAS* oder Kinder zum Thema Menstruation an? Was braucht eine muslimische Frau, um gut über ihre Menstruation sprechen zu können? Ist unsere Installation überhaupt ein geeigneter Rahmen für genau diesen Menschen um über Menstruation zu sprechen?

Wir sind darauf trainiert, das Blut, die Schmerzen, die Freude unsichtbar zu machen, sie zu verstecken und das als normal und natürlich anzusehen. Die Anfrage, darüber zu sprechen, berührt anerzogene Widerstände. Und nicht alle Menschen wollen in unserem künstlerischen, öffentlichen Rahmen den Schritt über diese Widerstände gehen. Wir hoffen jedoch, dass wir unsere Installation so gebaut haben, dass sie Plattform für sehr viele Stimmen sein kann. Und auch wenn nicht alle Anfragen in einer Menstruationsgeschichte gemündet sind, hat der Versuch der Kommunikation über Menstruation immer einen inneren Prozess ausgelöst. Für uns ist das unglaublich bereichernd.

Woher kommen die Objekte der Installation?

Die Objekte haben diverse Handwerker*innen gebaut. Wir haben die Formen im gemeinsamen Gespräch entwickelt. Wir hatten tolle Gespräche über die Analogie diverser Materialien und Formen mit Menstruation: Holz, Stahl, Ton, Beckenknochen, Schmerztabletten, Klitoren, Tampons und natürlich glückliche Vulvas!

Warum habt ihr die Stimmen mit Gesängen ergänzt?

Um die Möglichkeit eines schönen uns spielerischen Umgangs mit Menstruation zu unterstreichen. Bineta Hansen hat Worte zum Zyklus wunderbar musikalisch interpretiert.

Mit welchem Bild von weiblicher Sexualität bist du aufgewachsen?

Ich bin katholisch aufgewachsen, mit den dazugehörigen schlimmen Bildern von Weiblichkeit und den nicht vorhandenen Bildern von weiblicher Sexualität. Eva war zu neugierig und hat deswegen das Übel der Sexualität dem Mann gebracht. Sie muss deswegen bestraft werden und es ist normal dass sie bei allem, was mit Sexualität in Zusammenhang steht, leidet.

Maria war gebärende Jungfrau, denn sie hatte als Muttergottes natürlich nichts mit teuflischem Sex zu schaffen. Mit neun war ich bei meiner ersten Beichte und musste mir überlegen ob ich dem Priester etwas zum Thema Unzucht gegen mich oder andere erzählen will. Gleichzeitig habe ich viel Blut in der katholischen Kirche gesehen: All die blutenden Jesuse in den Kirchen! Diese Schlitze an den Händen aus denen es tropft, als würden sie blutende Vaginas nachahmen, deren Tabuisierung sie irgendwie ausgleichen müssen. Wer hat sich all diese destruktiven Geschichten ausgedacht? Und warum? Sie bringen so viel Gewalt in das Leben der Menschen.

Ich bin immer noch wütend. Es ist eine schöne Aufgabe für mich ein gutes Verhältnis zu meiner Sexualität und meinen Geschlechtsorganen aufzubauen.

Was für eine Welt wünscht du dir für deinen Zyklus?

Eine, in der Gespräche über Menstruation geschätzt werden und sich alle daran rege und taktvoll beteiligen, in der Mädchen* ihre Menstruationsprodukte wie Statussymbole zeigen können. Eine, in der Menstruationsflecken normal sind, in der unsere Gebärmütter für die Freude und die Schönheit existieren. Eine, in der die klitorische Form genauso allgemein bekannt ist wie die phallische, in der über umweltfreundliches Menstruieren permanent gesprochen wird. Eine, in der wir mit allen Menstruierenden weltweit solidarisch und gut verbunden sind, eine in der wir unseren Zyklus lieben und respektieren.